Medizinisches Cannabis in Portugal: was können Unternehmen erwarten?

2022-04-04T17:24:00
Portugal

Die Verwendung von Cannabis als Arzneimittel entfacht trotz zunehmender Entmystifizierung immer noch zahlreiche Diskussionen. Portugal gilt in Europa

Medizinisches Cannabis in Portugal: was können Unternehmen erwarten?
4 de abril de 2022

Die Verwendung von Cannabis als Arzneimittel entfacht trotz zunehmender Entmystifizierung immer noch zahlreiche Diskussionen. Portugal gilt in Europa als Land mit einer sehr progressiven Drogenpolitik und konnte in den letzten Jahren positive Entwicklungen in dieser Hinsicht verzeichnen. Ist Portugal also für ausländische Investitionen in medizinisches Cannabis interessant?

Seit dem 18. Juli 2018 wird die Verwendung von cannabisbasierten Arzneimitteln, Zubereitungen und Stoffen zu medizinischen Zwecken durch das Gesetz Nr. 33/2018 (Lei n.º 33/2018, de 18 de julho) geregelt.

Das sogenannte „Cannabis-Gesetz" wurde inzwischen durch das Gesetzesdekret Nr. 8/2019 (Decreto-Lei n.º 8/2019, de 15 de janeiro) und die Rechtsverordnung Nr. 83/2021 (Portaria n.º 83/2021, de 15 de abril)  konkretisiert. Dieses Legislativpaket legt nicht nur Maßstäbe für die Anwendung und Verschreibung von cannabisbasierten Produkten fest, sondern enthält auch Regelungen hinsichtlich der mit Cannabis im Zusammenhang stehenden unternehmerischen Tätigkeiten.

Die Anwendung von Cannabisarzneimitteln war schon vor dem Cannabis-Gesetz zugelassen, war jedoch lediglich für Ausnahmesituationen vorgesehen. Das neue Gesetz erleichtert nun den Zugang zu medizinischem Cannabis, und zwar nicht nur für Patienten und ihre Ärzte, die ihnen die Arzneimittel verschreiben wollen. Sondern auch für Unternehmen, die geschäftlich im Bereich des medizinischen Cannabis tätig werden wollen.

Die Hauptaktivitäten von Unternehmen, die sich mit Cannabis für medizinische Zwecke in Portugal betätigen wollen, beinhalten den Anbau, die Herstellung und den Großhandel (inkl. Import und Export) von Cannabis und cannabisbasierten Arzneimitteln. Darin liegt der erste große Standortvorteil von Portugal: In Deutschland ist nämlich grundsätzlich nur die staatliche Cannabisagentur des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für die Kontrolle des Cannabisanbaus zuständig. Es darf aber den tatsächlichen Anbau an private Unternehmen, die in einem Ausschreibungsverfahren ausgewählt werden, auslagern.  In Portugal kann hingegen die Anbautätigkeit nach Erhalt der erforderlichen Lizenz frei ausgeübt werden.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten also für Unternehmen bezüglich des medizinischen Cannabis in Portugal?

Zunächst muss eine portugiesische Gesellschaft gegründet werden. Alternativ kann eine Zweigniederlassung (sog. „ständige Vertretung", representação permanente) der ausländischen Gesellschaft errichtet werden.

Dann muss dieses Unternehmen das Verfahren der portugiesischen Arzneimittelbehörde Infarmed, I.P. durchführen und beweisen, dass es die gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen erfüllt, um cannabisbezogene Tätigkeiten ausüben zu dürfen.

Diese Anforderungen unterscheiden sich je nach der vorgesehenen Aktivität und sind demzufolge unterschiedlich hoch. Zu den wichtigsten Voraussetzungen des Zulassungsverfahren gehören unter anderem die Beschaffung eines geeigneten Grundstücks für die vorgesehene Tätigkeit sowie die Erlangung einer Erlaubnis des für das Grundstück zuständigen Gemeinderats (in den Fällen, in denen eine Anbauaktivität angestrebt wird). Des Weiteren muss das Unternehmen unverbindliche Vereinbarungen mit Käufern und Lieferanten vor Infarmed, I.P. darlegen, sowie deren jeweilige Lizenz für die Betriebstätigkeit mit psychotropischen Substanzen.

Hat das Unternehmen seinen Antrag entsprechend aller Voraussetzungen des Verfahrens vorbereitet, wird dieser bei Infarmed, I.P. eingereicht und die erforderlichen Gebühren werden bezahlt. Diese können je nach der vorgesehenen Aktivität zwischen 1.000 und 3.000 Euro liegen. Danach erfolgt die Überprüfung der Unterlagen (und allgemein des Projekts) durch Infarmed, I.P. In den meisten Fällen müssen sich die beantragenden Unternehmen ab diesem Moment mit ergänzenden oder Klärungsnachfragen auseinandersetzen, die Infarmed, I.P. ihnen bezüglich der eingerichteten Unterlagen stellt.

Sind die Unterlagen und das Projekt durch Infarmed, I.P. geprüft worden, erteilt Infarmed, I.P. eine vorläufige Genehmigung, die dem Unternehmen ermöglicht, den Betrieb vorzubereiten (durch die Installierung von Sicherheitsmaßnahmen, den Aufbau von Produktions- oder Herstellungsstellen, das Einstellen erforderlicher Mitarbeiter, etc.). Diese vorläufige Genehmigung hat eine Laufzeit von 6 Monaten und kann bis zu zweimal verlängert werden kann. Allerdings wird dadurch keineswegs eine Aufnahme der betrieblichen Tätigkeiten gestattet! Das Unternehmen muss erst beweisen, dass die Produktionsstätte auch dem eingereichten und genehmigten Antrag entspricht. In diesem Rahmen muss das Unternehmen eine Inspektion durch Infarmed, I.P. beantragen.

Mit der endgültigen Genehmigung erhält das Unternehmen die Lizenz dazu, die cannabisbezogene Aktivität auszuüben und grundsätzlich in dem Markt tätig zu werden (unbeschadet der sonstigen branchenüblichen regulatorischen Vorschriften).

Das gilt auch für den Vertrieb von CBD-basierten Produkten mit therapeutischen Zwecken. Die portugiesischen Behörden nehmen keine Rücksicht darauf, dass diese aufgrund ihres geringen Tetrahydrocannabinolgehalts (THC-Gehalts) keine psychotropen Wirkungen auf Menschen haben.

Obwohl in einigen Ländern die gesetzlichen Anforderungen an CBD-Produkte weniger streng sind als diejenigen für andere Cannabisprodukte (bzw. Arzneimittel) mit einem „gewöhnlichen" THC-Gehalt (d.h. mehr als 0.2% THC), gilt dies nicht auch für Portugal.

Infarmed, I.P. unterscheidet nämlich nicht zwischen CBD-basierten Produkten und cannabisbasierten Produkten mit einem THC-Gehalt von mehr als 0.2%. Laut Infarmed, I.P. fallen therapeutische CBD-Produkte auch in den Zuständigkeitsbereich dieser Behörde, da CBD aus der Cannabispflanze gewonnen wird und entsprechend des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1961 über Suchtstoffe als psychoaktive Substanz eingestuft werden muss.

In dessen Folge bedarf es sowohl bei der Vermarktung von CBD-Produkten als auch bei anderen Cannabisprodukten bzw. -Arzneimitteln derselben Lizenz.

Zusammenfassend muss betont werden, dass ungeachtet dieser Erwägungen die portugiesische Cannabisbranche seit 2018 exponentiell wächst. Die in Portugal herrschenden Bedingungen (sei es der beschriebene Rechtsrahmen, das Klima oder die wirtschaftlichen Möglichkeiten) haben zu einem beträchtlichen Wachstum und damit einhergehenden großen Investitionen geführt. Die portugiesische Cannabisbranche hat ihr Potenzial bewiesen und sich als äußerst dynamisch gezeigt. Unternehmen können von den zahlreichen Vorteilen bei der betrieblichen Tätigkeit in Portugal profitieren.


Ein Gesetzesdekret ist eine Rechtsverordnung der Exekutive, die allerdings Gesetzesrang- und kraft hat.

4 de abril de 2022